Ein persönlicher Einblick
und Interview.
In einer Zeit, in der Demokratien weltweit in der Minderheit sind und die Extreme zwischen links und rechts immer weiter auseinanderklaffen, ist es wichtiger denn je, sich für Freiheit und Solidarität einzusetzen. Obwohl ich mich selbst nicht als sehr politisch bezeichnen würde, glaube ich fest daran, dass es keine Alternative für Demokratie gibt. Deshalb unterstütze ich KAFD – Keine Alternative Für Demokratie.
Michael Sans, der Mitgründer von KAFD, ist ein Studienkollege, den ich seit 25 Jahren kenne und schätze. Als er sein „Political Fashion“ Label KAFD startete, fühlte ich den inneren Drang, etwas beizutragen. Gemeinsam entwickelten wir die Idee eines Posters, das die Botschaft von KAFD kreativ in Szene setzt. Michael war begeistert und kam aus Berlin angereist, um das Projekt mit mir umzusetzen.
Nach vielen Überlegungen entschieden wir uns, die Abkürzung „KAFD“ bewusst als „Keine Alternative Für Demokratie“ zu interpretieren, um die Bedeutung universeller und weniger Deutschland-zentriert zu gestalten.
Ich bin in einer intakten Familie aufgewachsen, ohne finanzielle Sorgen und mit einer guten Ausbildung. Als Familienvater und glücklicher Ehemann schätze ich das gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Umfeld, in dem ich lebe. Doch gerade weil wir in einer paradiesischen Region leben, dürfen wir dies nicht als selbstverständlich hinnehmen.
Die zunehmenden politischen Extreme bereiten mir Sorgen. In Liechtenstein und der Schweiz sind wir nicht isoliert, sondern stark von der politischen Stabilität unserer Nachbarn und den globalen Zuständen abhängig. Deshalb ist es wichtig, sich für Demokratie einzusetzen, damit auch andere Menschen in Freiheit und Unabhängigkeit leben können.
KAFD, was für «Keine Alternative für Deutschland» steht, ist ein Modelabel mit dem Ziel, durch Design für Demokratie und gegen rechtspopulistische Strömungen Stellung zu beziehen. Es handelt sich um ein Projekt aus dem Bedürfnis heraus, etwas für die Gesellschaft zu tun und demokratische Werte zu verteidigen.
«Keine Alternative für Demokratie»
KAFD x COVERSTORIES Letterpress Print
41 xm x 48 cm, Schwarz/Rot/Gold auf Briefmarkenbögen,
signiert von Michael & Philipp
(ohne Rahmen)
Das Posterprojekt
Unser Poster sollte im Retro-Stil wie eine alte Reklame oder Partei-Propaganda wirken, um den populistischen Charakter jener politischen Kräfte zu imitieren, die wir kritisch sehen. Wir wählten die Schriftarten Eurostile und Schmale Commercial sowie die Farben Schwarz, Rot und Gold, um das Thema passend zu gestalten.
Briefmarkenbögen als Symbol
Da sich mein Druckstudio in der Liechtensteiner Druckerei Gutenberg befindet, entschieden wir uns, das Poster bzw. den Begriff „Demokratie“ auf Briefmarkenbögen zu drucken. Die Perforation lässt den Begriff zerbrechlich wirken und unterstreicht die Wertschätzung für Demokratie – denn sie ist wertvoll und muss geschützt werden.
Die Rolle von Design in Demokratie
Wir sehen eine enge Verbindung zwischen Design und Demokratie, da beide kontinuierliche Arbeit und Hingabe erfordern. Design ist für uns ein Prozess des Ausprobierens und Verfeinerns, was sich auf das demokratische Engagement überträgt. Beides benötigt Sorgfalt und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.
Kreativität als Beitrag zur Demokratie
Kreative, besonders Freiberufler, haben eine gewisse Unabhängigkeit, die KAFD für das Projekt involvieren können. Freiheit und Meinungsäusserung sind grundlegende Bedürfnisse von Kreativen und eine funktionierende Demokratie ermöglicht dies.
Symbolik des Buchdrucks
Das Poster wurde in Buchdruck-Technik umgesetzt. Die Arbeit mit Briefmarkenbögen als Vorlage, die durch Perforation zusammengehalten werden, symbolisiert die Fragilität und den Wert der Demokratie. Wenn Teile herausgenommen werden, verliert das Werk seine Stabilität – eine Metapher dafür, dass auch die Demokratie nur funktioniert, wenn alle Teile der Gesellschaft zusammenarbeiten.
KAFD als klare Botschaft
KAFD ist ein Statement nicht nur gegen die AfD, sondern auch für Demokratie und Europa. Für uns geht es nicht darum, zu kritisieren, sondern positiv für Demokratie einzutreten und Werte wie Freiheit, Würde und Anstand zu fördern.
Philipp:
Michael, wir kennen uns schon so lange, auch wenn wir eine Fernbekanntschaft führen. Zwischen Berlin und Liechtenstein, hin und her. Seit unserem gemeinsamen Studium, das schon ewig her ist, haben wir uns nur ein paar Mal gesehen.
Michael:
Ja, Studium ist lange her, 1997 haben wir abgeschlossen..
Philipp:
Ich bin auf dich bzw. euer Projekt aufmerksam geworden, als ich in den sozialen Medien den Begriff “KAFD” gesehen habe – und natürlich auch deinen Namen sowie einige Partner und Partnerinnen. Was genau ist KAFD?
“Die eigentliche Idee war: Was kann man als Designer tun, um etwas für die Demokratie zu bewegen? Es war uns wichtig, dass das Label erst einmal für die Demokratie und für Europa steht und erst dann gegen die AfD.”
Michael:
KAFD ist in erster Linie ein Modelabel – so haben wir es definiert. Aber von Anfang an war klar: Es ist “Political Fashion”, denn ein weiteres gewöhnliches Modelabel braucht heute niemand mehr.
Es ist natürlich kein Modelabel im klassischen Sinne, bei dem man versucht, Mode neu zu erfinden. Das liegt auch daran, dass ich selbst nicht aus der Modebranche komme und vermutlich nicht genug Fachwissen dafür habe. Vielmehr ist KAFD aus dem Bedürfnis heraus entstanden, etwas zu tun – und zwar etwas für die Demokratie.
Im Februar dieses Jahres war ich auf einer der beiden grossen Demonstrationen in Berlin, die sich auf die Ereignisse vom 7. Oktober bezogen. Diese Demos waren eine Reaktion auf eine fragwürdige, illegale Konferenz in Potsdam, bei der zum ersten Mal Begriffe wie “Immigration” und andere beunruhigende Themen aufkamen. Auf einer dieser Demonstrationen war ich dabei.
Es war eisig kalt, und merkwürdigerweise begann die Demo erst um 16 Uhr, als es bereits dunkel war – wirklich widrige Bedingungen. Trotzdem hat es mich sehr gefreut, dort die “Mitte der Gesellschaft” zu sehen: Familien mit kleinen und grösseren Kindern, ältere Menschen, die teilweise mit Rollator oder Gehstöcken über das vereiste Vorfeld des Reichstags kamen.
Die Partyszene kam vermutlich direkt aus den Clubs zur Demo. Es war ein wirklich interessanter Mix von Leuten, die offenbar genug von dieser immer stärker werdenden rechten Szene, den Parteien und Gruppierungen haben. Irgendwie ging ich am Ende des Tages mit einem leichten Gefühl der Zuversicht nach Hause. Doch gleichzeitig dachte ich mir: Jetzt ist diese Demo vorbei, und natürlich könnte man in die nächste Stadt fahren, zur nächsten Demo. Aber ob sich dadurch wirklich was verändert? Ist das genug?
Man muss mehr machen. Da ich in keiner Partei bin und auch nicht Politiker werden möchte, kam mir die Idee: Vielleicht kann ich als Designer etwas beitragen.
Also habe ich nach langem Überlegen und probieren beschlossen, ein eigenes Label zu gründen, ein Logo zu entwickeln und es auch schützen zu lassen. “KAFD – Keine Alternative für Deutschland” oder “Keine AfD”.
Es war mir wichtig, einige Mitstreiter zu finden, die die Idee ebenso gut fanden, und so haben wir das Ganze mit wenigen Freunden ins Leben gerufen. Vieles ist an mir hängen geblieben, aber das ist okay – das mache ich gerne.
Die eigentliche Idee war: Was kann man als Designer tun, um etwas für die Demokratie zu bewegen? Es war uns wichtig, dass das Label erst einmal für die Demokratie und für Europa steht und erst dann gegen die AfD.
Leider, und das ist wirklich schade, muss man heutzutage überhaupt betonen, dass man für Demokratie und Europa ist. Noch vor fünf Jahren wäre das eigentlich selbstverständlich gewesen, da hätte niemand grosses Aufsehen darum gemacht.
Wir wollten anfänglich eine gGmbH (gemeinnützige GmbH) gründen und alles Geld an pro-demokratische Organisationen spenden. Leider ist das aufgrund der deutschen Gesetzeslage momentan nicht möglich, weil politische Arbeit hierzulande nicht als gemeinnützig anerkannt wird. Wir haben also eine „normale“ GmbH gegründet und spenden 75% unserer Gewinne.
“Design verbindet uns. Es ist harte Arbeit und erfordert Disziplin. Dort sehen wir den Zusammenhang zwischen Design und Demokratie.”
Philipp:
Mit Design gegen die AfD, mit Design für Demokratie, für Deutschland – das fand ich sofort genial, als ich es gelesen habe. Dass KAFD keine Alternative für Deutschland ist, spricht für sich. Es ist auf das Wesentliche reduziert.
Aber lass uns einen Schritt zurückgehen: Design – das verbindet uns.
Michael:
Ja, wir haben beide Design studiert. Aber Design ist vor allem Arbeit. Viele Leute denken, Design bedeutet, kreativ zu sein, zu schlafen bis nachmittags um drei, dann aufzustehen, unter die Dusche zu gehen und plötzlich die grosse Idee zu haben. Aber in Wirklichkeit ist Design ein intensiver, oft harter Prozess, der viel mehr Disziplin und Ausdauer erfordert, als viele glauben.
Philipp:
Genau das ist das Klischee von uns Designern: Wir haben eine Idee, setzen sie bis spät in die Nacht um, gehen dann in den Club, trinken bis vier Uhr morgens und schlafen danach, um wieder die nächste geniale Idee zu haben. Aber in Wahrheit ist Design harte Arbeit – und genauso ist auch Demokratie Arbeit. Wo siehst du den Zusammenhang zwischen Design und Demokratie? Deine Arbeit spiegelt also dein Anliegen wider, nicht nur im Hinblick auf das Label, sondern generell.
Michael:
Ich glaube, es ist eben nicht selbstverständlich, dass alles beim ersten Versuch perfekt ist. Oft ist es ein ständiges Vor und Zurück, ein Ausprobieren und auch Fehler machen. Es geht darum, den richtigen Punkt zu finden, an dem man zufrieden ist. Vielleicht ist das die Kunst – zu erkennen, wann es genug ist.
Es gibt einen Punkt, an dem es nicht mehr besser wird. Aber, wie du sagst, es hat viel mit Arbeit zu tun. Für mich hat es auch weniger mit Status oder Detailverliebtheit zu tun. Jeder kann etwas erschaffen, jeder kann ein Auto malen, aber es kommt darauf an, dass die Details stimmen. Genauso ist es mit der Demokratie – sie fällt nicht einfach vom Himmel. Gerade jetzt sehen wir, dass etwas passieren muss, dass sich die Menschen aktiv bemühen müssen, damit die Demokratie wieder funktioniert. Und das ist im Design ähnlich: Man kann nicht einfach sagen, “Ich bin Designer, mache irgendetwas, und dann ist das gut.” Es erfordert kontinuierliche Arbeit und Engagement.
Der Ansatz für mich war klar: Ich bin kein Politiker und will auch keiner werden, und ich gehöre auch keiner Partei an. Die Frage, die sich mir stellte, war also: Was kann ich noch tun, ausser einfach auf eine Demo zu gehen? Was kann ich beitragen? Ich könnte Purzelbäume machen oder 100 Meter Sprints laufen, aber darin bin ich einfach sehr schlecht.
Genau deshalb war es Design.
“Verantwortung bedeutet, Entscheidungen zu treffen und dafür
einzustehen. Hast du deshalb entschieden, mit Kreativen
zusammenzuarbeiten?”
Philipp:
Ja, du sprichst die Parallelen zwischen Design und Demokratie sehr gut an. Beides erfordert Arbeit und Aufwand. Man muss Sorgfalt walten lassen, das Miteinander und die Zusammenarbeit fördern – Teamwork ist in beiden Fällen entscheidend. Aber auch eine gewisse “Mindfulness”, Achtsamkeit, spielt eine grosse Rolle: den Dingen die nötige Zeit zu geben, den Aufwand nicht zu scheuen und Rückschläge zu akzeptieren. Wie du gesagt hast, gehört es eben dazu, dass man, wenn man in einer demokratischen Wahl verliert, das als Teil der Demokratie akzeptiert. Es ist ein Prozess, der Geduld und Resilienz erfordert, sowohl im Design als auch in der politischen Arbeit.
Genau, es geht darum, nicht zu sagen: “Das geht nicht”, sondern konstruktiv zu reagieren: “Ja, wir akzeptieren das, aber wir werden genau hinschauen, wie es weitergeht.” Das war auch mein Impuls, warum ich dich angerufen habe, um dir zu sagen: Das Anliegen von KAFD betrifft uns alle. Ich wollte mit dir eine Story machen, weil ich sofort darüber nachgedacht habe, wie sich dieses Thema auch auf die anderen Länder rund um Deutschland und eigentlich auf die ganze Welt übertragen lässt. Es geht um ein globales Bewusstsein und Engagement für Demokratie und Zusammenhalt.
Das ist ein riesiges Anliegen, und dieser Impuls, der am Anfang plötzlich kam, als ich dich am Telefon hatte, und du gesagt hast: “Geil, machen wir, das ist eine coole Sache”, hat mir sofort neuen Mut gegeben. Ich war kurz davor, wieder einen Rückzieher zu machen, weil Politik nicht wirklich mein Steckenpferd ist. Aber ich spüre auch, dass diese Müdigkeit bei vielen Menschen da ist, die es satt haben, ständig über Politik zu reden. Es ist, als ob die Leute genug haben von den endlosen Diskussionen und sich nach echter Veränderung sehnen. Doch gerade das zeigt, wie wichtig es ist, in solchen Momenten aktiv zu werden und etwas zu bewegen.
Viele Menschen sagen leider: “Das überlassen wir lieber denen, die sich damit auskennen oder die es machen wollen.” Doch die Gefahr dabei ist, dass man dadurch die Verantwortung abgibt und nicht mehr aktiv an der Gestaltung der Demokratie teilnimmt. Wenn das passiert, verliert man die Möglichkeit, gemeinsam an einer wirklich wertvollen Demokratie zu arbeiten. Ist das in etwa auch deine Motivation?
Michael:
Also, ehrlich gesagt, habe ich keinen Spass daran, aktiv Politik zu machen, vor allem, weil ich nicht dafür ausgebildet bin. Das hat mich nie wirklich interessiert. Ich habe es immer als Bürger verfolgt, bin natürlich wählen gegangen und hatte meine eigene Meinung. Aber jetzt sind wir an einem Punkt, an dem nicht nur die Politik, sondern das gesamte System in Frage gestellt wird – und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern wie z.B. Südamerika und den USA.
An diesem Punkt fängt es mich an zu interessieren, und ich sage: Moment mal, es ist schon okay, wenn gewisse Leute gewählt werden. Sie werden dafür bezahlt, diese Arbeit zu machen, sind in Ausschüssen und denken genau darüber nach, wie etwa der Wortlaut in einem neuen Gesetzestext genau aussehen soll. Das ist nicht mein Job. Aber: Wenn das Ganze völlig aus dem Ruder läuft – wenn Demokratie in Europa in Frage gestellt oder gar abgeschafft wird, oder wenn irgendwelche “Spackolinskis” glauben, sie könnten sogar den Klimawandel leugnen - dann muß man dazu auch als einfacher Bürger, in meinem Fall dann also auch als Designer, etwas sagen und sich einmischen. Und dann ist das auf einmal mein Job.
Philipp:
Man muss den Dialog mit allen möglichen Menschen suchen. Worauf deutet es hin, dass viele Menschen müde sind, über Politik zu sprechen, und die AfD mittlerweile stillschweigend akzeptieren?
Michael:
„Stillschweigend“ trifft es nicht ganz. Da gibt es ja schon die ewige Debatte darüber, ob man mit Menschen von der AfD sprechen sollte oder nicht.
Ich glaube natürlich, dass man immer reden muss. Allerdings hat Reden ja auch mit Zuhören zu tun. Das heisst, wenn ich merke, dass mein Gegenüber kein Interesse hat, mir zuzuhören oder umgedreht, wenn ich das bei mir selber auch merke, dass ich kein Interesse habe, dann wird ein Gespräch ins Leere laufen und dann macht es auch keinen Sinn. Es will heissen, wenn man miteinander redet, dann muss eigentlich vorausgesetzt sein, dass beide Seiten zuhören und beide Seiten auch willens sind, sich eine andere Meinung nicht nur anzuhören, sondern sich auch darüber Gedanken zu machen.
Man muss also weiter reden, und das tut auch gut. Aber auch im Gespräch ist die Toleranz nicht grenzenlos. Wenn behauptet wird, dass zwei und zwei nicht vier, sondern fünf ergeben, dann habe ich für eine solche Unterhaltung keine Zeit.
Philipp:
Ja, und indem man den Begriff „Alternative für Deutschland“ verwendet, steckt darin ja eine gewisse Toleranz. Es bedeutet, dass man plötzlich etwas toleriert, was bis vor kurzem noch völlig undenkbar gewesen wäre.
Michael:
Aber viele tun genau das, und das ist wirklich ein Problem. Es wird nicht mehr hinterfragt, es werden Unwahrheiten verbreitet, es wird wirres Zeugs erzählt, und diese falschen Aussagen werden vielfach einfach abgenickt.
Das hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass viele Menschen leider keine wirklich gut recherchierten Nachrichten mehr schauen oder gründlich geschriebene Artikel lesen. Oft lesen sie nur die Überschriften oder kurze Zusatzartikel, und daraus wird dann eine Meinung gebildet, die auf Halbwahrheiten basiert.
Philipp:
Geht es nicht auch ein Stück weit um Verantwortungslosigkeit? In einer Demokratie liegt die Macht per Definition beim Volk, was aber auch bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Wenn man Einfluss nehmen möchte, bedeutet das Verantwortung, man muss Führung übernehmen oder zumindest aktiv mitarbeiten und zusammenarbeiten. Und ist es nicht so, dass die Menschen, und hier spreche ich nicht nur von Deutschland, sondern global, oft müde sind und sagen: „Ich habe genug, da wirken sowieso andere Kräfte.“ Verschwörungstheorien, populistische Äusserungen und Menschen, die gezielt Überzeugungsarbeit leisten, besonders bei denen, die entweder keine eigene Meinung bilden können oder auch nicht wollen. Verantwortung zu übernehmen heisst, sich einzubringen und nicht einfach die Dinge geschehen zu lassen.
Und auch im Design ist es ähnlich: Entscheidungen zu treffen heisst Verantwortung zu übernehmen. Man muss hinter seinen Entscheidungen stehen und bereit sein, für sie geradezustehen.
Hast du dich deshalb entschieden, bei KAFD mit Kreativen zusammenzuarbeiten?
“Im Design ist es ähnlich: Entscheidungen zu treffen heisst Verantwortung zu übernehmen. Man muss hinter seinen Entscheidungen stehen und bereit sein, für sie geradezustehen."
Michael:
Ja, weil ich glaube, dass Kreative grundsätzlich eher neutral sind. Keine Gesellschaftsgruppe hat per se etwas gegen sie. Zudem bin ich selbst Kreativer, und ich habe viele andere Freunde aus der Szene. Daher war es eigentlich logisch, in diese Richtung zu gehen und erst einmal diese Leute zu fragen. Da viele Kreative frei arbeiten, müssen sie auch keine Angst haben, dass sich der Chef ärgert, wenn sie sich politisch äußern.
Philipp:
Du hast gesagt, dass sie frei sind. Ich sehe eigentlich alle Menschen als kreativ an, nur setzen manche diese Kreativität aktiv um, während andere sie nicht leben – und das ist völlig okay. Aber die, die sich für kreative Berufe entscheiden, wie Kunst, Design, Möbeldesign, Autodesign oder auch Architektur, sind oft Menschen, die im Geist frei sind. Und hier liegt eine Parallele zur Demokratie: Es geht um Freiheit. Freiheitsliebende Menschen – würdest du das auch so sehen?
Michael:
Ja, das würde ich so sehen, absolut. Ich persönlich bin sehr dankbar, in einer Gesellschaft und Welt aufgewachsen und ausgebildet worden zu sein, in der diese Freiheiten selbstverständlich waren. Ich konnte selbst entscheiden, was ich studiere, und konnte innerhalb meines Studiums frei wählen, an welchen Projekten ich arbeiten wollte. Diese Freiheit hat mich begleitet, auch weil ich nie in der Industrie „hängen geblieben“ bin. Diese Freiheit gilt es zu bewahren. Nicht nur für mich.
Philipp:
Mein Impuls war, dich in Berlin anzurufen und dir zu sagen: “Ich möchte hier etwas bewegen. Ich möchte mit dir eine Story machen – über dich, über mich, über KAFD.” Das war die Idee, die mir durch den Kopf ging. Was hast du gedacht, als ich dich angerufen habe?
Michael:
Ich habe mich natürlich gefreut, dass sich der Liechtensteiner mal wieder meldet. Du hast gesagt, “KAFD” bedeutet für dich “Keine Alternative für Demokratie”, und das hatte ich so nie wirklich gesehen. Wir haben immer von “Keine AfD” oder “Keine Alternative für Deutschland” gesprochen. Aber vielleicht ist “Keine Alternative für Demokratie” sogar genauso gut – oder vielleicht sogar noch besser.
“Es geht um die Sorgfalt, mit der wir unsere Demokratie tragen müssen. Es wäre wirklich schade, wenn wir diesen Vorsprung, den wir in Mitteleuropa gegenüber vielen anderen Teilen der Welt haben, aufgeben würden.”
Philipp:
Ja, obwohl mir bewusst war, dass “KAFD” eigentlich “Keine Alternative für Deutschland” bedeutet, wollte ich es positiv und auch im Hinblick auf die umliegenden Länder formulieren. Deshalb habe ich es sofort als “Keine Alternative für Demokratie” interpretiert, weil für mich das ein globales Problem ist. Ich meine, wenn ich jetzt den Ukrainekrieg betrachte, ist es ist nicht nur ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine und dem Rest des Westens, sondern ein Krieg zwischen Diktatur und Demokratie.
Ich kann nicht verstehen, wie man auch nur ein bisschen Verständnis für die Manipulationen aufbringen kann, die Putin ausführt, um das Volk zu desinformieren. Darüber muss man eigentlich gar nicht diskutieren. Es ist eine klare Entscheidung: Will man Demokratie oder Diktatur? Und deshalb habe ich das auch so interpretiert.
Man muss als Mitteleuropäer immer vorsichtig sein. Ich bin in Liechtenstein und in der Schweiz aufgewachsen. Manche Menschen sagen, dass wir in einer Blase leben, dass wir nicht wirklich Teil der Welt sind und dass wir im Reichtum schwimmen. Ich bin aber sehr dankbar, in so einem Umfeld aufgewachsen zu sein. Und ich sage dir auch ganz offen: Die Demokratie, die wir in Liechtenstein und der Schweiz haben, liebe ich. Und auch wenn ich kein politischer Mensch bin, finde ich, dass sie es echt wert ist, dafür zu kämpfen.
Es geht um die Sorgfalt, mit der wir unsere Demokratie tragen müssen. Es wäre wirklich schade, wenn wir diesen Vorsprung, den wir in Mitteleuropa gegenüber vielen anderen Teilen der Welt, die eher diktatorisch oder kommunistisch geprägt sind, aufgegeben würden. Es wäre eine riesige Niederlage.
Wir haben über Generationen hinweg hart dafür gearbeitet, die Demokratie aufzubauen und zu erhalten. Und jetzt steht sie möglicherweise auf dem Spiel oder wird zumindest untergraben und in Frage gestellt. Das ist der Anfang, und es ist wirklich ein Kampf oder eine Diskussion, die wir führen müssen.
Deshalb habe ich mich gemeldet. Aber als jemand, der behütet in einer funktionierenden Gesellschaft aufgewachsen ist und davon profitiert hat – sei es durch Bildung oder berufliche Chancen – finde ich es nicht genug, einfach nur “gegen die AfD” zu sein. Es muss grösser sein. Es geht nicht nur darum, gegen eine Partei zu sein, sondern für etwas zu stehen – und das ist die Demokratie.
Michael:
Zu Beginn unseres Projekts war auch die Frage, ob es nicht zu klein ist, nur gegen die AfD zu sein. Aber die AfD steht ja stellvertretend für viele populistische Bewegungen. Und in den letzten Gesprächen haben wir immer wieder politische Begriffe wie Demokratie, Sozialismus und Kommunismus verwendet, aber man könnte das auch anders formulieren. Man könnte zum Beispiel Begriffe wie “Würde” oder “Anstand” einbringen. Und genau diese Werte scheinen immer mehr verloren zu gehen – sowohl in alltäglichen Diskussionen als auch in den Medien.
Wenn man beispielsweise nach Amerika schaut, wo sich zwei politische Kandidaten öffentlich streiten, und dabei hört, was sie vor der Kamera sagen (besonders der Eine), dann ist es offensichtlich, dass Kategorien wie Würde und Anstand längst keine Rolle mehr spielen. Da hat das Ganze nichts mehr mit Anstand oder respektvollem Umgang zu tun.
Ein weiteres Beispiel: In den USA gibt es mittlerweile das Wort “Double Hater”, also Menschen, die beide politischen Seiten – sowohl die Republikaner wie auch die Demokraten – gleichermassen hassen.
Mit dieser Haltung geht eine Menge Würde verloren. Und vielleicht ist genau das auch ein Teil von Demokratie: Sprache. Sprache ist ein wesentliches Element des Designs, und wir müssen darauf achten, dass nicht alles mit dem Holzhammer durchgedrückt wird. Es muss Raum für Feinheiten und differenzierte Betrachtungsweisen bleiben.
Wenn wir einfache Lösungen akzeptieren, die von frustrierten Menschen als schnelle Antwort präsentiert werden, dann ist das ein Problem. Und das darf im Design genauso wenig passieren wie in der Gesellschaft insgesamt. Wir müssen darauf achten, dass wir den Dialog und die Nuancen nicht verlieren.
“Sprache ist ein wesentliches Element des Designs, und wir müssen darauf achten, dass nicht alles mit dem Holzhammer durchgedrückt wird. Es muss Raum für Feinheiten und differenzierte Betrachtungsweisen bleiben.”
Philipp:
Im Design spielt die Kraft der Worte eine zentrale Rolle. Es ist der Moment, in dem Worte richtig wirken und ihre volle Bedeutung entfalten.
Als wir uns entschieden, gemeinsam ein Poster zu gestalten, als Kollaboration von Coverstories und KAFD, hatten wir sofort viele Ideen. Wir wollten mit den Buchstaben des Wortes “Demokratie” spielen und verschiedene Begriffe daraus entwickeln, die mit aktuellen Themen resonieren. Zum Beispiel haben wir “Dunkelheit” und “Deutschland” in Betracht gezogen, oder “emo” mit “Emotionen” verbunden. Für das “K” haben wir an “Krieg” und gleichzeitig an “Kreativität” gedacht. Wir hatten viele kreative Ansätze und Möglichkeiten.
Doch nach einer intensiven Diskussion kamen wir zu dem Schluss, dass es vielleicht zu viel wird. Es könnte den Eindruck erwecken, dass wir uns in zu viele Richtungen verzetteln, was möglicherweise ein bisschen kitschig oder gekünstelt wirken würde. Wir wollten die Botschaft klar und prägnant halten, ohne die Wirkung durch zu viele Spielereien zu verwässern.
Michael:
Genau. Eigentlich hast du mit der Aussage “Keine Alternative für Demokratie” genau das getroffen, worum es gehen soll. Es ist so direkt und klar, dass man nicht mehr viel hinzufügen muss. Diese Aussage spricht für sich selbst und ist ein starkes Statement für die Demokratie – und damit auch gegen die AfD.
Philipp:
Jetzt kann man sich fragen: Warum Buchdruck? Warum Letterpress mit beweglichen Lettern? Klar, das ist eine starke Symbolik für eine kreative Leistung, die wir gemeinsam erbringen – und das in kurzer Zeit. Der Buchdruck lässt nämlich nicht viele Optionen offen. Es gibt nur wenige Schriftarten, wenig Platz, begrenzte Farben und oft auch wenig Zeit, was die Gestaltung sehr fokussiert und präzise macht.
Aber was noch spannend ist: Johannes Gutenberg, der diese Technologie erfunden hat…
Michael:
...aus Mainz im Übrigen, nahe meiner Heimat.
Philipp:
Johannes Gensfleisch, besser bekannt als Gutenberg, hat die Alphabetisierung und den Zugang zu Wissen demokratisiert. Vor seiner Erfindung war die Bibel ein Luxusobjekt, das von Hand von Mönchen abgeschrieben wurde. Sie war extrem teuer und nur wenigen – der Elite, dem Klerus und reichen Menschen – zugänglich. Nur sie durften lesen lernen, während das normale Volk davon ausgeschlossen war. Durch die Einführung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern hat Gutenberg die Bibel für alle zugänglich gemacht. Dies hat nicht nur das Christentum gestärkt, sondern vor allem den grössten Beitrag dazu geleistet, dass auch das einfache Volk Lesen lernen konnte.
Deshalb finde ich Gutenberg eine besonders spannende historische Figur. Wenn man bedenkt, wie viel Arbeit und Mühe die Menschen früher in den Kampf für Gerechtigkeit und die Verbreitung von Wissen gesteckt haben, wird deutlich, wie wichtig es ist, Verantwortung nicht leichtfertig abzugeben. Zu sagen, “andere werden es schon richten”, ist fatal. Diese Parallele zu heute, zu einer Zeit, in der Verantwortung häufig auf andere abgeschoben wird, finde ich eine besonders interessant, und darum ist Letterpress eine aufschlussreiche Metapher.
Michael:
Genau, es geht um das „sich Mühe geben“. Beim Buchdruck ist es nicht einfach ein schneller Klick am Computer, sondern ein handwerklicher Prozess. Man arbeitet mit seinen Händen, begreift das Material – im wörtlichen und übertragenen Sinne. Es geht darum, etwas zu fassen und es dann wirklich zu verstehen. Das ist, denke ich, ein zentraler Punkt, der auch viel mit Demokratie zu tun hat. Demokratie ist nicht immer einfach, sie erfordert Geduld und Engagement. Man muss sich Zeit nehmen, an den Details zu arbeiten, Dinge immer wieder überdenken, anpassen und verbessern, ohne dabei das ganze System zu gefährden oder zu früh aufzugeben.
Es ist ein iterativer Prozess. Man macht etwas, schaut es sich an, kann es verwerfen und von vorne anfangen – ohne das gesamte Fundament in Frage zu stellen. Diese kontinuierliche Arbeit an den Details und das stetige Streben nach Verbesserung sind entscheidend, um eine Demokratie zu bewahren und weiterzuentwickeln.
Philipp:
Im gestalterischen Bereich muss man ständig schnelle Entscheidungen treffen, oft unter Zeitdruck, und das ist auch eine grosse Herausforderung.
Genau deshalb hatten wir die Idee, Briefmarkenbögen zu verwenden. Wir befinden uns hier in den Räumlichkeiten der Druckerei Gutenberg in Liechtenstein, einer Firma, die nicht nur für den Briefmarkendruck in Liechtenstein, sondern auch in vielen anderen Ländern verantwortlich ist. Es war eine spannende Gelegenheit, diese kostbaren Briefmarkenbögen in unserem Projekt zu integrieren. Das hat eine besondere Symbolik und Wertigkeit – etwas, das man nicht einfach in jedem Designprozess verwenden kann.
Michael:
Natürlich ist es auch ein Stück Zufall, dass wir hier sind, denn solche Briefmarkenbögen findet man nicht überall.
Philipp:
Das ist natürlich nicht ganz dasselbe wie eine offizielle Briefmarke, die von der Philatelie anerkannt werden muss. Aber trotzdem haben wir uns entschieden, Briefmarkenbögen zu verwenden, um daraus ein Design zu kreieren. Warum?
“Wert entsteht nur, wenn man Zeit, Mühe, Geist, Herz und Liebe in etwas investiert. Diese Liebe zum Miteinander, zu den Mitmenschen und auch zur eigenen Herkunft hat nichts mit Nationalismus zu tun.”
Michael:
Der Begriff der Demokratie, um den es hier geht – den du ja in “KAFD” erkannt hast, obwohl er ursprünglich “Deutschland” hiess – ist sehr fragil. Leider ist Demokratie keine Selbstverständlichkeit, wie wir immer wieder feststellen können. Wenn wir nun versuchen würden, Demokratie auf diese vorperforierten Felder zu drucken, könnte man vermuten, dass, wenn man etwas daraus heraustrennt, die Demokratie zerbröselt und nicht mehr existiert. Denn es funktioniert nur, wenn wir zusammenhalten.
Sobald man wichtige Teile herausnimmt – und das scheint in manchen Wahlen, wie zum Beispiel in Sachsen und Thüringen, der Fall zu sein, wo eine Partei 30 % der Stimmen erhält – verliert die Demokratie ihre Stärke. Genau deshalb fanden wir die Idee, diese Briefmarkenbögen als Grundlage zu nehmen, so passend. Sie verdeutlichen die Zerbrechlichkeit und Fragilität der Demokratie.
Philipp:
Nach meiner Ansicht unterstreicht es zudem auch den Wert der Demokratie. Den Begriff “Demokratie” auf Papier zu drucken, in höchster Präzision perforiert, reflektiert für mich auch die Idee von “Sorge tragen”, “etwas Wertvolles zu schaffen” und diesen Wert dann auch zu schätzen und hochzuhalten.
Michael:
Ich weiss nicht, ob man es in Liechtenstein oder der Schweiz auch so ausdrückt, aber früher wurden Briefmarken in Deutschland als “Wertmarken” bezeichnet. Und in diesem Begriff steckt ja auch eine starke Bedeutung. Wenn man die Demokratie als etwas Wertvolles ansieht, dann denke ich, dass die Parallele hier definitiv geschaffen ist.
Philipp:
Wert entsteht nur, wenn man Zeit, Mühe, Geist, Herz und Liebe in etwas investiert. Diese Liebe zum Miteinander, zu den Mitmenschen und auch zur eigenen Herkunft hat nichts mit Nationalismus zu tun. Es handelt sich vielmehr um Patriotismus – eine gesunde Liebe zur Gesellschaft, in der man lebt. Diese Liebe ist nicht gegen andere, sondern für das eigene Land, was vollkommen legitim ist. Das ist die Kernbotschaft.
Deshalb möchten wir den Satz „Keine Alternative für Demokratie“ so gestalten, dass am Ende ein Poster entsteht, das man sogar kaufen kann. Wäre das eine gute Idee?
Michael:
Ja, genau. Das wäre dann die natürliche Weiterentwicklung des Gedankens: Eine limitierte Auflage von vielleicht 100 oder 200 Stück, die dann auch signiert sind. Vielleicht könnten wir später noch eine spezielle Edition in einer anderen Farbe drucken – das müssen wir dann noch entscheiden.
Philipp:
Na, dann gehen wir mal an die Arbeit!